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Benedikt XVI. ist in erster Linie Papst

Petra Nicklis9. Februar 2009

Der Papst ist übernational. Seine Entscheidungen trifft er als multinationaler Seelsorger, nicht als Deutscher– auch im "Fall Williamson". Deshalb ist es falsch, Benedikt XVI. auf sein Deutsch-Sein zu reduzieren.

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Der Stellvertreter Christi auf Erden hat keine Nationalität. Er ist übernational und muss es auch sein. Doch dass ist schwer für uns Deutsche zu verstehen.Titelte doch die auflagenstärkste Tageszeitung im Land "Wir sind Papst", als klar war, dass ein Deutscher es auf den Stuhl Petri geschafft hatte. Ein ganzes Volk schien rehabilitiert zu sein - über ein halbes Jahrhundert nachdem es den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust verbrochen hatte. Die Wahl Ratzingers - Balsam für das kollektive Schuldbewusstsein!

Doch als 2005 der Kardinal und Professor Joseph Ratzinger Papst wurde, bekam er gleichsam eine neue Identität: die des Heiligen Vaters. Der brillante, scharfsinnige Theologe wurde praktisch über Nacht zum multinationalen Seelsorger und Diplomat für die Einheit der römisch-katholischen Kirche. Das hat Benedikt XVI. selber schon einmal vergessen: als er nämlich während seines Deutschlandbesuches die folgenschwere "Regensburger Rede" hielt. Wissenschaftlich-theologisch spitzfindig, einem Professor angemessen, doch leider verprellte er mit einem schwierigen Zitat über Mohammed die Muslime. Der Aufschrei war groß. Richtigstellungen folgten.

Und jetzt folgen wieder die Richtigstellungen. Wieder hat der Pontifex seine Rolle falsch interpretiert, als er die Exkommunikation für den ultra-konservativen Bischof Williamson aufhob. War das der Gnadenakt eines um die Einheit der Kirche Bemühten? Hat der Papst die politischen Konsequenzen nicht bedacht, als er dem Holocaust-Leugner den Weg zurück in die Kirche eröffnete? Diese Fragen werden zu klären sein. Doch den obersten Hirten der international agierenden römisch-katholischen Kirche in diesem Zusammenhang zum Deutschen abzustempeln, ist genauso verfehlt. Benedikt auf sein Deutsch-Sein zu reduzieren, bedeutet ihm sein Papst-Sein abzusprechen. Er muss sich nicht als Deutscher verantworten, einem Holocaust-Leugner entgegen gekommen zu sein, sondern als Papst.