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Banken-Enteignung als letztes Mittel

Bernd Gräßler (iw)18. Februar 2009

Nach Rettungspaketen, Garantien in Milliardenhöhe und Beteiligungen hat sich die Bundesregierung einen weiteren Weg eröffnet auf die drohende Pleite von Unternehmen zu reagieren: die Zwangsverstaatlichung.

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Das Logo der Hypo Real Estate Bank (Quelle: AP)
Der Staat will künftig mitentscheiden bei der Hypo Real EstateBild: AP

Es war ein großer Auftritt für den Finanzminister. Minutenlang verschwand er völlig im Gedränge der Fotografen. Der Grund: Erstmals in der deutschen Nachkriegsgeschichte ist die Enteignung von Aktionären einer Bank möglich. Am Mittwoch (18.02.2009) hat die schwarz-rote Regierung aus Union und SPD ein so genanntes "Rettungsübernahmegesetz" beschlossen. Es soll schon in Kürze die staatliche Kontrolle über die Immobilienbank Hypo Real Estate ermöglichen.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrueck (Quelle: AP)
Sorgsamer Umgang mit Steuergeldern verlangt nach EinflussnahmeBild: AP

Der Staat bürge bisher bereits mit 87 Milliarden öffentlicher Garantien für Verpflichtungen der durch die Finanzkrise angeschlagenen privaten Bank, betonte Finanzminister Steinbrück. "Ich möchte als Sachwalter dieses Steuerzahlergeldes auch strategischen Einfluss nehmen können auf die Umstrukturierung, um dieser Bank wieder Wind unter die Flügel zu geben." Mitreden bei den Entscheidungen will der Finanzminister.

Hypo Real Estate mit Sitz in München ist ein wichtiger Pfeiler im europäischen Finanzsystem. Ihre Pfandbriefe galten als besonders sichere Anleihen und wurden in Deutschland von Kommunen und Krankenkassen gekauft. Außerdem ist sie ein so genannter Staatsfinanzierer. Eine Pleite würde zu Schwierigkeiten bei den öffentlichen Haushalten und Infrastrukturprojekten führen.

Finanzinvestor Flowers will nicht verkaufen

Dax Verlauf (Quelle: AP)
Auch der Kurs der Hypo Real Estate sind steil gefallenBild: AP

Derzeit besitzt der Staat keine einzige Aktie an dem Finanzinstitut. Der staatliche Wunsch nach Kontrolle stößt auf den Widerstand des Finanzinvestors Christopher Flowers. Dieser hatte noch Mitte vergangenen Jahres für über eine Milliarde Euro Hypo-Real-Aktien erworben. Zum damaligen Preis von 22,50 Euro pro Aktie, mittlerweile liegt deren Wert kaum noch über 1 Euro. Die Bank hat insgesamt nur noch einen Börsenwert von rund 250 Millionen Euro.

Das Mitleid des deutschen Finanzministers mit dem Finanzinvestor, der sich verspekuliert hat, hält sich in Grenzen: "In manchen Fällen hatte Flowers Erfolg, aber in diesem Fall ist leider aus dieser einen Milliarde sehr viel weniger geworden. Dieses Problem und dieses Risiko kann ich ihm nicht abnehmen. Dazu ist der Staat auch nicht da."

Enteignung soll nur "große Ausnahme" sein

Die Verhandlungen mit Flowers über einen Verkauf seiner Anteile an den Staat seien bisher ergebnislos, teilte Finanzminister Steinbrück mit. Nun droht dem Milliardär die Enteignung per Gesetz. Das erlaubt die deutsche Verfassung, Artikel 14, unter Bezug auf das höher stehende Allgemeinwohl. Wenig Aufsehen erregen in Deutschland Enteignungen von Grundstücksbesitzern wegen Autobahnbau oder der Erweiterung von Flughäfen. Anders bei der Bank: Der Fall Hypo Real Estate wird von Kritikern als Präzedenzfall für weitere Bankenverstaatlichungen im Windschatten der Finanzkrise gesehen.

Kanzlerin Angela Merkel spricht dagegen von einer ganz großen Ausnahme. "Wir tun das nicht, um die Marktwirtschaft auszuhebeln, das ist blanker Unsinn, sondern wir tun es, um die Marktwirtschaft wieder zum Funktionieren zu bringen." Um mit dem Geld der Steuerzahler verantwortungsvoll umzugehen, müsste der Staat eine Kontrollmehrheit zum Beispiel bei der Hypo Real Estate bekommen.

Steinbrück wünscht sich mehr Pragmatismus

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (Quelle: dpa)
Enteignungsgesetz ist nur ein befristet geltendes GesetzBild: picture-alliance / dpa

Das Gesetz sei speziell für den "Fall Hypo Real" gemacht, betonte Finanzminister Steinbrück und deshalb bis zum 30. Juni befristet. Steinbrück verwies außerdem auf eine internationale Vereinbarung der Staaten, so genannte systemrelevante Finanzinstitute zu retten. "Auf diesem Weg haben die Briten sehr schnell Banken verstaatlicht, andere Länder ebenfalls. Ich will darauf hinaus, dass ich dankbar wäre, wenn mit Blick auf die Situation, die wir in Deutschland haben, die Debatte ebenfalls diesem verbreiteten internationalen Pragmatismus folgen könnte, die solche Fragen allein unter einem instrumentellen Aspekt sehen."

Das neue Gesetz sieht eine Entschädigung zum Börsenwert der letzten beiden Wochen vor, der bei etwa 1 Euro pro Aktie liegt. Enteignet werde nur, wenn die Verhandlungen mit Flowers scheitern und alle anderen Wege versagen, betonte Steinbrück. Beispielsweise könnte die Aktionärs-Hauptversammlung der Hypo Real auch eine Kapitalerhöhung und die Ausgabe weiterer Aktien beschließen und damit die Sperrminorität des US-Finanzinvestors aushebeln.