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Aufregung um die neue Modedroge "Crystal"

Marlis Schaum5. Juli 2006

"Gefährlicher als Heroin! Macht sofort süchtig! Eine Monsterdroge!" - die Aufregung in deutschen Medien war groß in den letzten Monaten. Die Schlagzeilen drehten sich um eine synthetische Droge namens Crystal.

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Crystal-Konsum mit einer GlaspfeifeBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Ruhig ist es in Moritzburg bei Dresden. Zwischen Kastanienalleen und Teichen liegt die Drogenklinik am Ortsrand. Manchmal kommen Einheimische und gucken durch die Fenster. Heute könnten sie Markus und David sehen. Sie sitzen im Büro der Klinik-Leitung. Markus und David sind 18 und 21 Jahre alt. Sie waren drogensüchtig - und haben auch Crystal genommen. "Ich hatte ein selbstbewusstes Auftreten, war meistens so vier, fünf Tage wach. Weil es ja ein Amphetamin ist...", erzählt Markus. Man ist in Party-Laune, man hat Spaß und nimmt viele Sachen einfach nicht so ernst, Probleme sind einfach weg." Es sei eben ein schönes Gefühl gewesen. Erstmal hab er sich öfter übergeben müssen, erinnert sich David. Aber dann nur dieses Gefühl, nichts denken zu müssen: "Und die Stimmungen waren teilweise auch wieder intensiver, egal, ob ich Depressionen hatte oder gut drauf war. Das wird halt dadurch intensiviert."

Wirkung fünf Mal stärker als Speed

Crystal ist ein Metamphetamin, das fünf Mal stärker wirken soll als das bereits weit verbreitete Speed. Es gilt als Partydroge - Markus und David haben es aber fast täglich genommen. Ein bis zwei Gramm schimmernder Kristalle, je kristalliger, desto reiner. Die beiden haben die Droge zu feinem Pulver gehackt und durch die Nase inhaliert. Rund 50 bis 60 Euro kostet ein Gramm Crystal auf dem Schwarzmarkt. Das ist zwar teuer, aber immer noch billiger als Kokain. Mit Crystal ist der Körper in dauernde Alarmbereitschaft versetzt, körpereigenes Adrenalin und Dopamin werden ausgeschüttet.

Reine Crystal-Konsumenten gebe es kaum, sagt Karla Aust, die Leiterin der Klinik. Sie kennt Crystal seit Jahren. Die mediale Aufregung der letzten Monate kann sie nicht nachvollziehen: "Dass es plötzlich so um Crystal geht, das ist nicht das, was uns im täglichen Leben in der Entwöhnungsbehandlung so tangiert. Ich denke, das ist zum Teil deshalb, weil es plötzlich interessant ist." Betroffen ist vor allem der Osten Deutschlands. Hier gibt es regionale Crystal-Szenen, und das hat laut Experten mit der Nähe zur tschechischen Grenze zu tun. In Tschechien wird nämlich viel Crystal produziert - und ist deshalb in Ostdeutschland leicht verfügbar.

"Crystal ist keine 'Monster-Droge'"

In Leipzig sitzt die Sozialarbeiterin Annegret Beck im Büro der Drugscouts. Eine Einrichtung, die Bindeglied ist zwischen der Drogenszene und den Suchthilfe-Einrichtungen. Annegret Beck meint, dass die Medien die Aufregung um Crystal selbst angeheizt hätten. Anstatt Mythen zu verbreiten, solle lieber über eine andere Drogenpolitik nachgedacht werden, sagt sie: "Es ist ja nicht so, dass Drogen in einem gesellschaftsfreien Raum konsumiert werden. Es ist vielmehr so, dass Crystal gewisse Funktionen erfüllt, die jetzt nachgefragt werden. Mit Crystal kann ich funktionieren, da kann ich meinen Stoff lernen oder da bin ich selbstbewusst, um mein Anliegen durchzusetzen." Von einer "Monster-Droge" könne nicht die Rede sein, sagt Beck.

Symbolbild Diskothek
Crystal gilt als PartydrogeBild: dpa

Später am Abend in einer Diskothek in Dresden. Heute ist nicht viel los, es läuft Funk. Ob einer der wilden Tänzer Crystal genommen hat? Auf den ersten Blick kann man es nicht erkennen. Denn körperliche Anzeichen sind erst nach längerem Konsum zu sehen: starker Gewichtsverlust, Pickel, Zahnausfall.

In einer Diskothek hat es für David angefangen: Freunde boten ihm das erste Mal Crystal an, und er probierte. Markus hat früher selbst gedealt und ist so auf Crystal gestoßen. Seit einem knappen halben Jahr sind sie nun schon in der Drogenklinik Moritzburg in Therapie. Markus wird bald entlassen, David will noch ein weiteres halbes Jahr bleiben.