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Armes Deutschland

Helle Jeppesen 20. September 2006

Am 20. September war Weltkindertag in Deutschland. Die neuesten Zahlen zeigen, dass es in Deutschland 2,5 Millionen Kinder gibt, die in Armut leben. Helle Jeppesen kommentiert.

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Kinderrechtskonventionen hin oder her: In Deutschland ist das Schicksal der Kinder von den Eltern und vom Staat abhängig, nicht vom Bedarf oder Potenzial der Kinder. Wer als Kind in einer sozial benachteiligten Familie aufwächst, hat später auch schlechte Chancen, den Teufelskreis zu durchbrechen. Meist ist eine Karriere als Sozialhilfefall über Generationen programmiert: Armut gefährdet überall auf der Welt Gesundheit und Karriere.

Brachliegender Rohstoff Mensch

Dabei gibt es Warnungen genug an Deutschland, einem der reichsten Staaten dieser Welt, Warnungen dass Kinderarmut auch die Zukunft der Gesamtgesellschaft gefährdet. Die Pisa-Studie zeigte, dass Kinder sozial benachteiligter Familien in Deutschland kaum Chancen auf Bildung haben. Die UNESCO hat vor der fehlenden Förderung sozial schwacher Kinder gewarnt, und letzte Woche erst kam eine OECD-Studie zu dem Ergebnis, dass Deutschland seinen einzigen nennenswerten Rohstoff brach liegen lässt: Das sogenannte Humankapital.

Es gibt kaum Länder in Europa, wo so wenige Kinder und Jugendliche das Abitur schaffen oder später eine Hochschulausbildung machen wie in Deutschland. Dabei stöhnt die deutsche Wirtschaft heute schon über den Fachkräftemangel, der nur durch Import zu lindern ist - Import aus Ländern, die Fachkräfte im eigenen Land bitter nötig hätten.

Das Recht auf Bildung

Damit gewinnt die deutsche Bildungskatastrophe internationale Dimensionen. Ein Land, das es sich hätte leisten können, Fachkräfte auszubilden, leistet sich stattdessen ein Millionenheer von meist unqualifizierten Arbeitslosen. Ein Land, das zu den reichsten der Welt zählt, leistet sich auch 2,5 Millionen Kinder, die in Armut leben - wohlwissend, dass diese Kinder vom deutschen Bildungssystem ausgeschlossen sind. Dabei, so die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, die auch Deutschland unterschrieben hat, hat jedes Kind ein Recht auf Bildung. Ein Recht, das auch in der deutschen Entwicklungspolitik bewusst gefördert, doch im eigenen Land nicht praktiziert wird.

Wenn aber aus sozialen Gründen viele Kinder in Deutschland nicht einmal den Hauptschulabschluss schaffen, wenn Kinder aus sozial schwachen Familien und aus Familien mit Migrationshintergrund so gut wie keine Chance haben, eine Berufs- oder Schulausbildung zu schaffen, dann hat der Staat kläglich versagt. Und der Rohstoff, auf den wir global alle angewiesen sind, nämlich die menschliche Ressourcen, wird weiterhin wie zu alten Kolonialzeiten die Metalle und andere Rohstoffe, von den armen Ländern in den reichen wandern.