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Grenzfall

Rozalia Romaniec1. September 2008

Der FKK-Strand in Ahlbeck war jahrzehntelang an einem Maschendrahtzaun an der deutsch-polnischen Grenze versteckt. Doch mit Schengen verschwand der Zaun und die Nackttouristen rückten in das öffentliche Interesse.

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Grenze zwischen Polen und Deutschland auf Usedom (Foto: AP)
Es gibt noch Grenzen, auch in der EUBild: AP

"Wir sind doch nackt auf die Welt gekommen, das ist doch ganz normal", sagen die deutschen FKK-Touristen am Strand bei Ahlbeck. "Die Polen haben uns früher durch die Zäune bewundert, anders ging es nicht und jetzt haben sie die Freiheit und müssen sich erstmals langsam daran gewöhnen. Das wird auch kommen, dass auch die Polen eines Tages nackig rumlaufen werden."

Die Reaktionen der deutschen Nacktbader reichen von amüsiert bis genervt, die Polen sind empört oder doch zumindest überrascht. Denn das Nacktbaden ist rechtlich gesehen in Polen strafbar und aus katholischer Sicht eine Sünde. "Ich lief ganz ahnungslos am Strand entlang und sah plötzlich einen Mann. Zuerst dachte ich, er hätte eine hautfarbene Badehose an, aber dann stellte ich fest, da er einfach so rumläuft, wie ihn Gott geschaffen hat", erzählt eine polnische Frau. Sie findet dass wenig ästhetisch. Vor allem, wenn sich Ältere so etwas leisten.

Polnische Nacktbader kommen über die Grenze

Blick auf ein Schild "Halt! Bundesgrenze!" an der Deutsch-Polnischen Grenze am Strand von Ahlbeck (19.12.07/AP)
Ohne Grenze wandern die FKK'ler von Polen nach DeutschlandBild: AP

Befremdlich fanden es auch einige polnische Politiker. Einer forderte sogar die polnische Stadt Swinemünde auf, bei den Nachbarn zu intervenieren, damit die den FKK-Strand an dieser Stelle verbieten. Doch der Bürgermeister, Janusz Zmurkiewicz, behielt von Anfang an kühlen Kopf. "Ich werde keine Schritte unternehmen, weil es den Strand dort schon lange gibt", beschwichtigt er. "Wer ihn nicht sehen will, braucht ja nicht hinzugehen."

Der FKK-Strand an der deutsch-polnischen Grenze war schnell das Haupt-Sommerthema in Polen. Doch nach der ersten Empörungswelle hat sich die Stimmung allmählich gewandelt. Denn als man das Problem genauer unter die Lupe nahm, stellte man überraschenderweise fest, dass auch Polen den Nacktbadestrand nutzen. "Seit Mai kommen auch polnische Bürger zu uns nach Deutschland, weil sie dort nicht dürfen", erzählt Herbert Triebs, der am Strand einen Imbiss betreibt. "Das war schon vor der Wende so, die aus den alten Bundesländern machen es auch."

Aufregung hat mehr genutzt als geschadet

FKK Strand im Sommer (2007/dpa)
FKK auf Usedom als MarktlückeBild: Picture-Alliance /dpa

Dass das textilfreie Baden vor allem bei jungen Polen gut ankommt, sieht der Bürgermeister von Swinemünde durchaus positiv. Für ihn ist der nackte Strand in der Nachbarschaft eine willkommene Marktlücke. "Wir haben uns entschieden, dass wir in unseren neuen Werbekatalogen über den FKK Strand ausführlich informieren", sagt Janusz Zmurkiewicz. Die Partner aus Deutschland seien damit einverstanden. "Ich denke, das zieht viele Touristen an, da man in Polen kaum solche Strände hat." Denn eigentlich seien sie verboten. Warum also sollten junge Polen nach Mallorca fliegen, um sich dort textilfrei zu sonnen? Janusz Zmurkiewicz schüttelt den Kopf: "Die könnten genauso gut nach Swinemünde oder Ahlbeck kommen."

Das könnte erst der Anfang sein. Sollten tatsächlich viel mehr Polen auf den Geschmack des Nacktbadens kommen, überlegt die Stadt sogar eine ihrer 40 Inseln irgendwann in eine offizielle FKK-Zone umzuwandeln. Die deutsche Nachbarregion will dagegen vor allem für mehr Aufklärung sorgen. Kurverwaltungsdirektor Dietmar Gutsche sagt: "Als erstes installieren wir ein Willkommensschild auf Deutsch und auf Polnisch, damit sich die polnischen Touristen nicht verirren." Und damit die Nackten wüssten, dass sie nicht nach Polen ohne Bekleidung spazieren sollten. Denn das sei dort schließlich verboten. Im Endeffekt scheint die Aufregung der gesamten Region eher genutzt als geschadet zu haben. Denn spätestens in der nächsten Saison dürfte der FKK Strand wahrscheinlich noch mehr jungen Besuch aus dem Ausland bekommen.