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Keine Stabilität ohne Demokratie

8. Februar 2011

Sie haben sich vor Ort in Tunis informiert und nun zieht eine Gruppe EU-Parlamentarier eine selbstkritische Bilanz: Die EU-Politik in Tunesien sei fehlerhaft. Kommt die Europäische Union in Ägypten erneut zu spät?

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Ein Demonstrant zeigt bei einer Kundgebung zur Situation in Tunesien das Victory-Zeichen vor der tunesischen Flagge (Foto: picture-alliance/dpa)
EU nur Beobachter: die Menschen in Tunesien nahmen ihr Schicksal selbst in die HandBild: picture alliance / dpa

Vor den Mitgliedern des Auswärtigen und des Menschenrechtsausschusses des Europaparlaments zog Parlamentspräsident Jerzy Buzek Parallelen zu den Umbrüchen in seinem Heimatland Polen. Und so wie die Menschen in Ost- und Mitteleuropa damals Hilfe aus dem Westen gebraucht hätten, so dürften auch die Menschen heute im Maghreb nicht alleingelassen werden. "Unsere Nachbarn warten auf unsere Unterstützung. Sie müssen sich auf den langen Weg Richtung Demokratie begeben", sagte Buzek. Und Tunesien könne zum Modell für die gesamte Region werden.

Ob es um Verfassungsreformen, die Organisation und Beobachtung von Wahlen oder um Sozial- und Wirtschaftsreformen gehe, die Europäische Union (EU) biete Hilfe an und suche das Gespräch mit allen gesellschaftlichen Gruppen, betonte Buzek.

Bisher eine Politik des Status Quo

Ashton spricht bei einer Pressekonferenz im Freien (Foto: AP)
Ashton in der Kritik: Nie da, wo die EU sie braucheBild: AP

Aber das passiert eben erst jetzt, wo sich die breite Masse der Tunesier schon selbst von Präsident Ben Ali befreit hat. Wo war die EU in den Jahren davor, als die damalige Opposition unterdrückt wurde? Der konservative spanische Delegationsleiter in Tunis, José Ignacio Salafranca, gibt Fehler der EU-Diplomatie zu. "Die Europäische Union hat eher eine Politik der Stabilität und des Status Quo betrieben als eine, die die Menschenrechte gefördert hätte."

Doch Salafranca will sich nicht allzu lange mit Selbstkritik aufhalten. Er sieht jetzt eine vielleicht nur kurze Gelegenheit für eine Demokratisierung im arabischen Raum. "Die EU muss alle ihre Kräfte und Mittel mobilisieren, damit diese demokratischen Übergangsprozesse nicht in den arabischen Ländern gestoppt werden", sagt der EU-Politiker.

Wo steht die EU in Ägypten?

Salafranca und seine Delegationsmitglieder haben sich auch mit Vertretern islamistischer Gruppen getroffen. "An ihren Werken sollt Ihr sie erkennen", zitierte der Spanier die Bibel als Antwort auf die Frage, ob den Islamisten zu trauen sei. Doch es ist nicht die Frage des Vertrauens, sondern vor allem der Angst vor Islamisten, warum die EU bisher im Zweifel eher auf Autokraten gesetzt hat.

Die finnische Grünenpolitikerin Heidi Hautala beklagt, in Ägypten sei das immer noch so. "In Ägypten ist die EU im Moment nicht klar auf der Seite der Demokratie. Sie schreckt immer noch vor klaren Forderungen zurück", kritisiert Hautala. "Sie glaubt immer noch, dass Stabilität auf Kosten von Menschenrechten und Demokratie zu haben ist." Eine dauerhafte Stabilität, so Hautala, könne es nur geben, wenn Menschenrechte und Demokratie geachtet würden.

Viele Europaabgeordnete aus verschiedenen Fraktionen bemängeln auch, dass sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton immer noch nicht in Tunesien und Ägypten hat blicken lassen. Laut ihrer Sprecherin will sie kommende Woche nach Tunesien reisen, ein Besuch in Ägypten stehe aber noch nicht fest.

Autor: Christoph Hasselbach, Brüssel
Redaktion: Nicole Scherschun