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Hilfe zur Selbsthilfe

3. Januar 2011

Im Januar 2011 feiert die internationale Sportförderung in Deutschland 50-jähriges Jubiläum. Seit 1961 werden im Auftrag des Auswärtigen Amtes weltweit Projekte vor allem in Entwicklungsländern unterstützt.

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Leichtathletik-Nachhilfe auf Sri LankaBild: DW

Afghanistan, Ruanda, Vietnam - überall auf der Welt arbeiten deutsche Sportexperten im Auftrag des Auswärtigen Amtes. Sie unterstützen Verbände dabei, die eigenen Strukturen zu verbessern, sie unterrichten Jugendliche und bilden Trainer aus. Zumeist geht es dabei um den Breitensport. Immer aber geht es um Hilfe zur Selbsthilfe, die Ausbildung von Multiplikatoren in den Partnerländern. Hinter der Förderung steckt ein politischer Anspruch, sagt Staatsministerin Cornelia Pieper: "Wir fördern damit auch Fairness, Toleranz, Wettbewerb und Völkerverständigung. Ziel ist es auch, den Sport als Mittel der Krisenprävention zu nutzen, Vorurteile abzubauen, Minderheiten zu integrieren."

Zu hohe politische Ansprüche an den Sport?

Ralph Mouchbahani, der seit fast 30 Jahren als Leichtathletiktrainer für die Sporthilfe durch die Welt reist, findet das nicht. "Ich glaube schon, dass wir Sachen zustande kriegen, die die Politik eben nicht zustande bekommt. Soziale Strukturen aufbauen, eben auch interkulturell." Beispiele gibt es genug. Frauenfußball in Afghanistan, Rollstuhlsport in Kambodscha oder dem Senegal. Mouchbahani berichtet von einem Projekt im palästinensischen Autonomiegebiet: "Wenn ich da gesehen habe, wie die Kinder und Jugendlichen auf einmal vom Steine werfen auf die andere Seite das Zielwerfen verinnerlicht haben."

Über 1300 Projekte in über 100 Ländern

Staatsministerin Cornelia Pieper Foto: DW/Matthias Müller 27.04.2010.
Ihr untersteht die Sportförderung - Staatsministerin Cornelia PieperBild: DW

Fünf Millionen Euro lässt sich das Auswärtige Amt die internationale Sportförderung jedes Jahr kosten. Die Länder stellen Anträge, das Auswärtige Amt sucht dann zusammen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und den Fachverbänden, wie dem Fußballbund (DFB) und dem Leichtathletikverband (DLV) als Trägern gezielt Projekte aus. Seit 1961 wurden so mehr als 1300 Maßnahmen unterstützt. "Per se würden wir erst einmal überhaupt kein Land ausschließen. Gerade in Ländern, wo diplomatische Wege nicht so gut funktionieren, ist der Sport ganz gutes Mittel," sagt Katrin Merkel über das Auswahlverfahren. Sie ist beim DOSB Leiterin im Bereich Internationales.

Nicht überall ist Hilfe möglich

Aktuell werden zum Beispiel im Sudan wegen der unsicheren politischen Lage keine Projekte durchgeführt, obwohl es Anträge gibt. Und auch laufende Projekte können problematisch werden, wenn sich in einem Land zum Beispiel Konflikte zwischen Einzelverbänden ergeben, oder sie politisch missbraucht werden. "Dann ziehen wir uns in der Regel zurück, weil unsere Devise ganz klar diejenige ist, dass die Projekte nicht Spielball von politischen Interessen vor Ort sein sollen", so Merkel.

Hilfe zur Selbsthilfe wird manchmal missverstanden

Es ist ein schwieriges Feld, in dem sich die Sportförderung bewegt. Die Hilfe zur Selbsthilfe wird in den Ländern manchmal missverstanden als "ich habe was, du nimmst was", sagt Mouchbahani. "Wir wollen die Botschaft rüberbringen: Ihr müsst auch einen Teil dazu beitragen". Doch trotz vorheriger Absprachen sind die Ansprüche der Akteure in den Partnerländern dann andere, als besprochen. Gerade im Fußball legen Verbände in manchen Ländern viel mehr Wert auf den schnellen Erfolg ihrer Nationalmannschaft, als auf den Aufbau von langfristigen Strukturen, die mit der Jugendarbeit beginnen.

Keine einfache Arbeit für die Diplomaten im Trainingsanzug

Porträt von Ralph Mouchbahani Sportentwicklungshelfer
Sport-Entwicklungshelfer Ralph Mouchbahni überwacht das KrafttrainingBild: DW

Auch die deutschen Experten rechnen vor Ort manchmal mit anderen, meist besseren Bedingungen, als denen die sie dann vorfinden. Mouchbahani sieht das positiv: "Man lernt, sich zurückzunehmen und festzustellen, wie gut wir es eigentlich haben und wie schwierig Situationen woanders sind." Egal, wie gut die Arbeit dann vor Ort wirklich klappt, will er auch nicht aufteilen in Projekte, die funktionieren und die, die nicht erfolgreich sind: "Wenn man es knallhart nach wirtschaftlichen Kriterien misst, ist es nicht so einfach. Aber im Sport kann man das nicht so rational sehen. Da müssen Sachen wachsen. Trotzdem müssen wir uns natürlich rechtfertigen, wenn das Geld aus Steuermitteln kommt."

Nicht jedem Experten fällt es eben leicht, sich mit fremden Situationen zurecht zu finden. Gleichzeitig sind die Ansprüche an sie groß: Sie müssen nicht nur vorbildliche Sportler sein, sondern auch Pädagogen und Diplomaten mit viel Geduld und Idealismus. "Wir haben längst festgestellt, dass es nicht reicht, jemanden irgendwohin zu schicken, nur weil der gerade Zeit hat und gerne durch die Welt reisen will. Das ist ein richtiges Berufsbild," so Mouchbahani. Weil das so ist, soll es bald intensive Vorbereitungskurse für die Experten geben. Die werden zusammen mit der Sporthochschule in Köln entwickelt.

Nicht nur für den Moment arbeiten

Nachhaltigkeit ist das Zauberwort der internationalen Sportförderung. Erst wenn die Arbeit im Land weitergeführt wird, wenn der Experte es verlassen hat, die Hilfe also wirklich zur Selbsthilfe wird, hat ein Projekt auch Sinn gemacht. Doch gerade bei Kurzzeitprojekten, die nur über ein paar Wochen gehen, aber den Großteil der Sportförderung ausmachen, fehlt die Zeit und fehlen die Mittel für eine sorgfältige Auswertung der Arbeit. Deswegen wird zurzeit an einem verbesserten Evaluierungssystem gearbeitet.

Ein weiterer Aspekt der internationalen Sportförderung sind die Trainerlehrgänge in Deutschland. In Leipzig und Mainz werden ausländische Übungsleiter, zumeist aus Entwicklungsländern, ausgebildet. Auch der DFB bietet Kurse in Hennef und Koblenz an. Die Absolventen können an allen Standorten eine Prüfung ablegen und sollen anschließend als Multiplikatoren in ihren Ländern weiter arbeiten.

Autor: Felix Hoffmann
Redaktion: Wolfgang van Kann