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2024: Ein Jahr der Zeitenwende für die Automobilindustrie?

Dirk Kaufmann
29. Dezember 2023

Die deutschen Autobauer fallen bei der E-Mobilität zurück und die Produktion von Autos, die fossile Energieträger verbrennen, ist bald Geschichte. Sind die Unternehmen den neuen Anforderungen gewachsen?

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Ein ID.5 GTX fährt vor Solaranlagen über das Werksgelände von Volkswagen in Zwickau
Schöne neue E-Auto-Welt: Elektroauto vor SolaranlageBild: Jan Woitas/dpa/picture alliance

Die Zukunft des Individualverkehrs wird gern in sauberen und vor allem sanften und ruhigen Werbe-Videos gezeichnet: Autos, die leise und ohne schädliche Emissionen auszustoßen auf fast leeren Straßen durch eine intakte Natur schnurren oder in sauberen Städten ohne Staus entspannte "Fahrgäste" ins Büro oder zum Einkaufen bringen.

Noch aber sieht die Realität anders aus. Die lohnt der Beschreibung nicht, da wir sie jeden Tag erleben: Staus, Lärm, Gestank allenthalben. Laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) ist der Marktanteil von Elektroautos in Deutschland zwar stark gewachsen, richtig groß ist er aber noch nicht. Vor zehn Jahren lag ihr Anteil bei 0,02 Prozent am gesamten Pkw-Bestand, heute sind es 2,08 Prozent. Damit ist jedes 50. Auto ein rein elektrisch betriebenes Fahrzeug.

Ob man den Trend nun begrüßt oder nicht, ob man bedauert, dass immer noch fast 98 Prozent der Autos von Verbrennermotoren angetrieben werden, ob man jedes neue E-Auto-Angebot feiert oder man lieber weiter ein "richtiges Auto" fahren möchte: Es ist nicht zu erwarten, dass dieser Trend kippt. Doch ist die deutsche Autoindustrie - immerhin eine mächtige Stütze der hiesigen Industrie und, wenigstens noch, ein wichtiger Arbeitgeber - auf die neuen Zeiten auch vorbereitet?

"Das Rennen ist gelaufen"

Die Musik bei Entwicklung der E-Mobilität spielt zurzeit eindeutig nicht in Deutschland. "Mit der kontinuierliche Kürzung der Umweltprämie hat Wirtschaftsminister Habeck in Deutschland beim Elektroauto den Rückwärtsgang eingelegt", sagt Ferdinand Dudenhöffer, bis zu seiner Pensionierung Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen und inzwischen selbständiger Berater.

Seiner Einschätzung nach werde der Marktanteil von E-Autos in Deutschland im nächsten Jahr zurückgehen. Auch international, sagt er zur DW, seien die Aussichten "nicht euphorisch. Einzig China wird mit vollem Tempo weitermachen und das zahlt sich für die chinesische Autoindustrie doppelt und dreifach aus." Bedingt durch den Sparzwang in Folge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts musste die Bundesregierung die E-Auto-Förderung sogar noch früher als geplant einstellen. Seit dem 18. Dezember ist es nicht mehr möglich, Anträge auf eine staatliche Förderung zum Kauf eines E-Autos zu stellen. 

Stefan Bratzel, Leiter des CAM (Center of Automotive Management) in Bergisch-Gladbach bei Köln, ist nicht zuversichtlicher. Aus seiner Sicht "ist das Rennen bei der Elektromobilität in Deutschland, Europa und China bereits gelaufen." Jetzt müsse man beim Markthochlauf schnell vorankommen. Dabei seien allerdings die Ziele, "die die Bundesregierung ausgegeben hat, zu ambitioniert. Die werden nicht erreicht werden." Nach dem Willen der Regierung sollen bis 2030 rund 15 Millionen E-Autos in Deutschland unterwegs sein.

Portraitaufnahme von Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM)
Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management: "Das Rennen ist gelaufen"Bild: CAM

"In Deutschland sitzt die Hoffnungslosigkeit"       

Für den CAM-Direktor sind die Gründe dafür in den vergangenen Jahren zu suchen. Die deutschen Autobauer hätten "im Vergleich zu Spielern wie Tesla oder manchen chinesischen Herstellern zu spät begonnen" und seien dann "nicht mit dem notwendigen Fokus an das Thema herangegangen". Es seien zwar Bemühungen erkennbar, gerade bei der Batterietechnik Fortschritte zu erzielen, "aber die Geschwindigkeit, die die Chinesen und Tesla vorlegen, muss man erstmal aufholen."

Auch Ferdinand Dudenhöffer sieht China klar im Vorteil: "Wir treten kürzer. Investments werden geschoben und in China wird investiert. Die Haushaltsprobleme und der bisher fehlende Bundeshaushalt verschärfen das Problem. Also in Deutschland herrscht Stillstand. Und richtig hart wird es nach 2025. Dann dominieren die Chinesen den Weltmarkt der E-Autos." In China, so der Autoexperte, säßen dann die großen Player "und in Deutschland die Hoffnungslosigkeit."

Ferdinand Dudenhöffer lächelt in die Kamerai
Prof. Ferdinand Dudenhoeffer, Autoexperte: "Und in Deutschland sitzt die Hoffnungslosigkeit."Bild: Bernd Thissen/dpa/picture alliance

Abhängigkeit von China

Am 30. November teilten die Autokonzerne BMW und Mercedes-Benz mit, sie wollten in China ein gemeinsames Netz von Schnellladestationen für Elektroautos aufbauen. Für Dudenhöffer nur folgerichtig: "Deutschland ist nicht das Land, in dem sich solche Investitionen lohnen. In China haben Elektroautos heute fast 40 Prozent Marktanteil. Dort lohnt es sich."

Die Gefahr einer Abhängigkeit von China sieht auch Stefan Bratzel, obwohl er hinzufügt, dass es eine wechselseitige Beziehung gibt: "Auch China ist von uns abhängig." Aber klar sei: "Im Bereich der Elektromobilität haben wir eine größere Abhängigkeit von China. Das wird noch ein paar Jahre so bleiben. Insbesondere bei der Batteriezelle."

Dieser Einschätzung neigt auch Dudenhöffer zu, der der DW zur Batterieentwicklung und -produktion sagt: "Wir bauen langsamer aus. Die Produktionen gehen nach Ost-Europa, denn dort ist Energie preiswert. Aber China ist heute schon das Herz der Batterie und die Bedeutung wird weiter steigen."

Fertigung des ID.4 in Emden im Volkswagenwerk in Emden
Produktion des ID.4: Im Volkswagenwerk in Emden ruht die E-Auto-Fertigung für fünf Wochen Bild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Rückgang bei der Produktion

Die enttäuschende Nachfrage in Deutschland zeigt sich schon bei den Herstellern. So berichtete die Rheiderland-Zeitung am 6. Dezember vom VW-Werk im ostfriesischen Emden, die E-Auto-Produktion sei bereits "im Frühsommer ins Stocken geraten, die zweite Schicht wurde gestrichen, es gab zahlreiche Produktionspausen. Auch die Weihnachtspause im E-Auto-Bau beginnt deutlich früher und wurde bis zum 15. Januar verlängert. Die E-Auto-Produktion in Emden ruht für fünf Wochen komplett."

Die Produktion von E-Autos erfordert weniger Arbeitsschritte und es werden auch weniger Angestellte gebraucht. Nicht nur bei den Autobauern, sondern auch bei ihren Zulieferern. So werden beim Zulieferer Bosch bis zu 1500 Jobs wegfallen, wie das Unternehmen am 10. Dezember mitteilte. Dort begründet man den Stellenabbau auch mit geringerem Beschäftigungsbedarf bei der Elektromobilität. Eine Unternehmenssprecherin sagte, man werde sich "in einigen Bereichen an die Auftragslage anpassen müssen".

E-Tankstelle auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Lohberg in Dinslaken, NRW, Deutschland
Woran es in Deutschland - unter anderem - fehlt: Es gibt zu wenig LadestationenBild: Jochen Tack/picture alliance

Die Musik spielt nicht hier

Generell seien die Aussichten bei der E-Mobilität aus Kundensicht aber gar nicht so schlecht, meint Ferdinand Dudenhöffer: Für die Reichweite einer Batterieladung gelte, dass "1000 km heute schon in China umgesetzt" werden. Reichweite werde nach 2027 oder 2028 nicht mehr das Problem sein. "Und auch die Preise werden mit der Feststoff-Batterie sinken. Und am stärksten in China, denn dort sind die Scales."

Das Kraftfahrtbundesamt wagt ebenfalls einen Blick in die Zukunft. Nach dessen Berechnungen werden in Deutschland zum 1. Januar 2030 rund zehn Millionen E-Fahrzeuge zugelassen sein. Das würde je nach Größe des dann aktuellen Fahrzeugbestandes einem E-Auto-Anteil von 20 bis 25 Prozent entsprechen. Doch wie viele dieser Elektrofahrzeuge aus deutscher Produktion kommen werden, sagen die Statistiker nicht vorher.