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1,5 Millionen Arme in Ungarn

1. Juli 2003

- Existenzminimum bei 33.000 Forint im Monat

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Budapest, 30.6.2003, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch

In Ungarn leben anderthalb Millionen Arme, bei einer Einwohnerzahl von nur zehn Millionen. Das geht aus einer Studie hervor, die das Weltwirtschaftsinstitut der Ungarischen Akademie der Wissenschaften im Auftrag der UN erstellt hat. Die Veröffentlichung vergangene Woche erregte großes Aufsehen. "Die Wichtigkeit des Problems der Armut muss endlich in Ungarn erkannt werden", forderte der ehemalige Staatspräsident Árpád Göncz. "Die Öffentlichkeit muss aufgerüttelt werden. Dieses Problem kann nur durch Reformen gelöst werden.

Nach der Studie belegt Ungarn den 35. Platz unter den reichsten Ländern der Welt. Innerhalb der Region steht lediglich Tschechien vor Ungarn, die Slowakei und Polen sind noch ärmer. Besonders im Gesundheitswesen, im Bildungssystem und bei der Arbeitsplatzbeschaffung gibt es laut der Studie Nachholbedarf in Ungarn. "Nur wenn diese Dinge gelöst werden, kann das Problem der Armut besser in den Griff bekommen werden", so Göncz.

Selbst das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre konnte die Armut nicht verringern, die Kluft zwischen der ärmsten Schicht und dem Durchschnitt der Bevölkerung ist ständig größer geworden. Noch dazu moniert die Studie, dass Ungarn kein engmaschiges soziales Netz hat, die Sozialhilfe sei zu niedrig.

Noch dazu erhielten diese nur wenige Menschen, so dass sie kaum die Armut lindern kann - ein niedriges Einkommen berechtigt noch nicht zur Zahlung von Sozialhilfe. "Der Großteil der Bedürftigen bleibt ohne Hilfe. Deshalb muss das System radikal verändert werden", fordert der Ex-Präsident.

Besonders stark von der Armut betroffen sind in Ungarn die Sinti und Roma. Die Regierungen der mittel- und osteuropäischen Länder wollen sich in dieser Frage jetzt zusammentun, denn auch in den Nachbarländern Ungarns ist die zunehmende Verarmung dieser Bevölkerungsschicht das Haupthindernis für die gemeinsame Entwicklung der Region. Das geht zumindest aus einem Bericht der Weltbank hervor, der am vergangenen Dienstag veröffentlicht wurde und die Armutsstudie in diesem Bereich unterstützt.

Am heutigen Montag und am Dienstag richtet die Weltbank in Budapest den Kongress "Roma im sich erweiternden Europa" aus, auf dem die Studie als Arbeitsgrundlage dient. Zu den Förderern des Kongresses gehören das Open-Society-Institut, das von George Soros gegründet wurde, und der Europa-Ausschuss des Parlaments.

Das Thema der Armut der Roma ist deshalb so wichtig, weil diese die größte und am schnellsten wachsende Minderheit in Europa sind. Ihre Zahl wird gegenwärtig auf sieben bis neun Millionen Menschen geschätzt. Ihre Armut ist selbst in relativ entwickelten Ländern wie den EU-Beitrittsstaaten erschreckend.

Alarmierend ist weiterhin, dass die Zahl der Beschäftigten unter den Roma seit der Wende in Ungarn von 86 auf 26 Prozent gesunken ist.

Parallel zu den Berichten der Weltbank und der Akademie hat das Statistische Zentralamt (KSH) seine Berechnungen zum Existenzminimum im vergangenen Jahr in Ungarn veröffentlicht.

Dieses lag den Statistikern zufolge bei monatlich 33.900 Forint (ca. 128 Euro – MD) pro Person. In einem Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern wurde es mit 125.013 Forint (ca. 472,8 Euro – MD) beziffert. Im vorangegangenen Jahr lag das monatliche Existenzminimum einer solchen Familie noch bei 114.000 Forint (ca. 431,2 Euro – MD). (fp)