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Abnehmen mit Süßstoffen? Ernährungsmythen überprüft

6. Mai 2024

Süßstoffe haben im Gegensatz zu Zucker kaum Kalorien. Ein Allheilmittel gegen Übergewicht sind sie trotzdem nicht. Denn der Nutzen von Süßstoffen ist gering und viele mögliche Schäden sind nicht klar nachweisbar.

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Süßstoff
Süßstoffe sind oft um ein Vielfaches süßer als Zucker, haben aber kaum Kalorien. Eine perfekte Abnehmhilfe?Bild: picture alliance/dpa

Limo, Weingummi, Joghurt - alles ohne Zucker, aber genauso süß. Abnehmen, ohne verzichten zu müssen, lautet das Versprechen von Süßstoff-Produkten. Klingt toll, einerseits. Andererseits machen Süßstoffe immer wieder Negativ-Schlagzeilen. So wie im Jahr 2023, als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Zuckerersatz Aspartam als "möglicherweise krebserregend" einstufte

Im selben Jahr veröffentlichte die WHO eine Richtlinie, in der die Organisation davon abrät, Süßstoffe als Abnehmhilfe einzusetzen. Der Nutzen sei nicht langfristig. Und mögliche Schäden bisher nicht klar nachweisbar. Schauen wir uns das mal genauer an.

Welche Süßstoffe gibt es?

In der EU sind insgesamt 12 Süßstoffe zugelassen. Dazu gehören unter anderem:

  • Acesulfam K (E 950)
  • Aspartam (E 951)
  • Cyclamat (E 952)
  • Saccharin (E 954)
  • Sucralose (E 955)

Die verschiedenen Süßstoffe gehören nicht zu einer Gruppe und unterscheiden sich chemisch stark voneinander. "Folglich werden die auch im Darm unterschiedlich behandelt", sagt Stefan Kabisch. Er ist Ernährungsforscher am Deutschen Zentrum für Diabetesforschung an der Berliner Charité.

"Es gibt Süßstoffe, die in den Blutkreislauf gelangen. Andere, wie das Aspartam, werden direkt im Darm verdaut. Sucralose wiederum wandert einfach durch den ganzen Darm durch", erklärt Kabisch. 

Sind Süßstoffe gesünder als Zucker?

Zucker und zuckerhaltige Lebensmittel tragen aufgrund ihres hohen Kaloriengehaltes dazu bei, dass Menschen übergewichtig werden.

Übergewicht wiederum führt zu verschiedenen Krankheiten: Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen und verschiedene Krebsarten wie Darm- oder Brustkrebs. "Gesünder als Zucker sind Süßstoffe sicherlich", sagt Ernährungsforscher Kabisch. 

Verursachen Süßstoffe Krebs, Übergewicht und Diabetes?

Doch auch im Zusammenhang mit Süßstoffen gibt es Veröffentlichungen, die verunsichern. Die Einstufung von Aspartam als "möglicherweise krebserregend" gehört dazu. Laut WHO gibt es "begrenzte Hinweise" darauf, dass Aspartam einen bestimmten Typ Leberkrebs im Menschen verursachen könnte.

Die bislang empfohlene tägliche Höchstmenge an Aspartam von 40 mg pro Kilogramm Körpergewicht sei jedoch weiterhin unbedenklich, heißt es weiter. Für einen 70 kg schweren Menschen bedeutet das, er müsste 9 bis 14 Dosen Diät-Softdrink trinken, um die zulässige Menge zu überschreiten. Vorausgesetzt, die Softdrinks sind die einzige Aspartamquelle.

"Die Annahme, dass Süßstoffe Krebs verursachen, das Herz-Kreislauf-System schädigen, Adipositas begünstigen und Diabetes fördern, stammen vorwiegend aus der gleichen Art von Studien", sagt Stefan Kabisch. "Aus Beobachtungsstudien." Und das ist ein Problem.

Abnehmen mit Zuckerersatz?

Beobachtungsstudien sammeln große Datenmengen tausender Teilnehmer durch Befragungen oder Untersuchungen. Manchmal werden die Probanden mehrfach befragt oder untersucht, manchmal bloß ein einziges Mal. 

"Diese Daten zeigen hochsignifikant, dass Menschen, die viele Süßstoffe konsumieren, ein hohes Risiko für Diabetes, Krebs, Herzinfarkte und Schlaganfälle haben", sagt Kabisch. 

Allerdings seien Menschen mit sehr hohem Süßstoffkonsum häufig schon vorher übergewichtig und hätten einen insgesamt weniger gesunden Lebensstil, so Kabisch. In einer Beobachtungsstudie können all diese zusätzlichen Risikofaktoren nicht vollständig herausgerechnet werden. Oder andersherum gesagt: Beobachtungsstudien können nicht einen Faktor isoliert betrachten.

Was sich in Studien zu Süßstoffen bisher häufig gezeigt habe, sei eine Korrelation und kein kausaler Zusammenhang, so Kabisch. "Hat der Süßstoff die Adipositas verursacht oder nimmt der Mensch Süßstoff, weil er adipös ist? Das können sie bei einer Beobachtungsstudie nicht beantworten." Hier sei weitere Forschung notwendig.

Eine weitere ungeklärte Frage ist: Schaden Süßstoffe dem Darmmikrobiom und beeinflussen auf diese Weise das Immunsystem negativ? Hinweise darauf gibt es, doch auch hier sind weitere Untersuchungen gefragt. Übrigens, dass Zucker dem Darmmikrobiom das Leben schwer macht, gilt als gesichert.

Helfen Süßstoffe beim Abnehmen?

Auf den ersten Blick scheint die Frage leicht zu beantworten zu sein: Wer den kalorienreichen Zucker durch den kalorienarmen Süßstoff ersetzt, verliert Gewicht. "In einem solchen Setting nehmen die Leute immer ab", sagt Kabisch. "Allerdings nicht so stark wie erwartet."

Das könnte etwas mit dem Darm zu tun haben. Dort sitzen Süßrezeptoren, die durch Zucker ebenso aktiviert werden können wie durch Süßstoffe. Die Aktivierung dieser Rezeptoren setzt bestimmte Hormone frei, sogenannte Inkretine. Die unterstützen die Insulinproduktion und sorgen für ein Sättigungsgefühl.

Allerdings gibt es auch hier einen Unterschied zwischen Süßstoff und Zucker: "Purer Süßstoff setzt kein Insulin frei. Möglicherweise treibt das den Hunger wieder an", sagt Stefan Kabisch. 

Ein weiterer Grund, der gegen Süßstoffe als Diätmittel Nummer eins spricht: Sie halten die Lust auf Süßes aufrecht. "Das suchtartige Verhalten, immer wieder und immer mehr Süßes haben zu wollen, bedient man mit Süßstoffen genauso", sagt Kabisch. Es gebe keinen Grund, Süßstoffe aktiv zu meiden, aber auch keinen, sie aktiv zu empfehlen, so Kabisch: "Der Nutzen ist gering, der Schaden nicht klar nachweisbar."

 

Quellen:

WHO advises not to use non-sugar sweeteners for weight control in newly released guidelin, WHO, 15.05.2023

Aspartame hazard and risk assessment results released, WHO, 14.07.2023

Review - Non-nutritive sweeteners and their impacts on the gut microbiome and host physiology, Frontiers Nutrition (2022), Irene L. Richardson, Steven A. Frese

Süßungsmittel: Was sind Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe?, Verbraucherzentrale Deutschland, 10.01.2024

 

DW Mitarbeiterportrait | Julia Vergin
Julia Vergin Teamleiterin in der Wissenschaftsredaktion mit besonderem Interesse für Psychologie und Gesundheit.